Nr. 2 (2012): Demokratie und Gesellschaftsethik

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Wir leben in »postdemokratischen« Zeiten, so heißt es nicht nur bei Colin Crouch:
Zwar bestehen in den westlichen Gesellschaften die demokratischen Institutionen
fort, zugleich nimmt aber die demokratische Partizipation und die Steuerung der
Gesellschaften von unten ab, die über diese Institutionen eigentlich sichergestellt
werden sollen. Für die Gesellschaftsethik ist diese Analyse hoch attraktiv: Diese
»braucht« eine anspruchsvolle normative Theorie der Demokratie als Kontrast zu
den postdemokratischen Verhältnissen, weswegen sich die Gesellschaftsethik gut
in das Gespräch über die »Postdemokratie« bringen kann. In Folge des zunehmen-
den Substanzverlust der Demokratie, sollte er unter dem Begriff ›Postdemokratie‹
gut eingefangen werden können, verliert die Gesellschaftsethik jedoch zugleich an
Rückhalt in der Realität, verliert die Möglichkeit, sich mit ihrem »Sollen« im »Sein«
demokratischer Gesellschaften abzusichern. Weil also eine doppelte Herausforderung,
stellt sich diese Ausgabe von »Ethik und Gesellschaft« der Diagnose der »Postdemo-
kratie«: Geprüft wird deren Realitätsgehalt, diskutiert wird deren gesellschaftsethische
Relevanz. Ein besondere Augenmerk wird auf die bürgerschaftliche Partizipation ge-
legt: Bestätigt das politische Engagement »in der Zivilgesellschaft« die Diagnose von
den »postdemokratischen« Zuständen, forciert sie womöglich diese Entwicklung sogar?
Oder ist sie eine Art »Gegengift« gegen den zunehmenden Verlust an demokratsicher
Partizipation und gesellschaftlicher Kontrolle »von unten«?
Veröffentlicht: 01.06.2015